Qualitätsmerkmale

0. Vorwort

Dieses Konzeptpapier wurde im Schuljahr 2015/2016 von der Arbeitsgruppe Schulentwicklung der Sprachheilschule entwickelt. Anlass war zum Einen das Feedback der Schulinspektion, es würden wenig schriftlich einsehbare konzeptionelle Unterschiede zu anderen Schulformen – vor allem zu Grundschulen – deutlich werden. Zweitens besteht auch die politische Notwendigkeit, trennscharf die Besonderheiten einer Sprachheilschule herauszuarbeiten, um die Bedeutung dieser förderpädagogischen Fachrichtung deutlich zu machen und die Fachlichkeit weiterhin zu gewähren.

1. Räumlich-bauliche Voraussetzungen

  • Spezielle bauliche Situation:
    • Schalldämmung

Die Kinder der Sprachheilschule zeigen häufig Einschränkungen im auditiven Bereich und benötigen eine geeignete Raumakustik.

  • Förderräume
    • Die Räume zur Sprachförderung sind entsprechend ihrer Aufgabe mit spezifischem Fördermaterial ausgestattet. Sie können auch für Kleingruppenarbeit genutzt werden.
      • Möglichkeit der Differenzierung in Kleingruppen
      • Therapie in der Schule – Räume für Therapeuten
    • Möglichkeit für Bewegungszeiten

Sprachzentrum und Motorik nutzen die gleichen Hirnareale, insofern haben Schüler/innen einer Sprachheilschule häufig auch Defizite im Bereich der (Fein-)motorik

2. Unterricht

2.1 Vorklassen

Kinder mit dem Förderschwerpunkt Sprache zeigen oft nicht nur eine isolierte Sprachauffälligkeit. Sie haben auch komplexe Beeinträchtigungen in nichtsprachlichen Bereichen. Deshalb besteht bereits ein Jahr vor Beginn der Schulpflicht die Möglichkeit, die Vorklasse an der Sprachheilschule Sinntal zu besuchen. Ziel der Vorklasse ist es, Entwicklungsrückstände aufzuarbeiten. Der Unterricht bereitet auf das schulische Lernen in der ersten Klasse vor.

Bereits nach dem ersten Vorklassenjahr besteht die Möglichkeit der Aufhebung des Förderbedarfs Sprache.

Ausgehend von speziell für unsere Schulform entwickelten Arbeitsplänen beinhaltet der Unterricht in der Vorklasse folgende Förderschwerpunkte:

  • Auditive Wahrnehmung
    • akustisch-phonematische-, kinästhetisch-artikulatorische-, rhythmische Differenzierung
  • Visuelle Wahrnehmung
    • Figur-Grund-Wahrnehmung, Visuomotorik, Raum-Lage-Wahrnehmung, räumliche Beziehungen, Formkonstanz
  • Taktil-kinästhetische Wahrnehmung
    • taktile Differenzierung, Körperempfindung, Gleichgewichtsschulung
  • Motorik
    • fein- und grobmotorische Koordination, Graphomotorik, Handlungs-planung und Handlungssteuerung
  • Lern und Arbeitsverhalten
    • Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit, Konzentration, Arbeitsstrategien, Ausdauer, Selbstständigkeit, Arbeitstempo, Anweisungsverständnis, Sprachverständnis
  • Emotionalität
    • Eigen- und Fremdwahrnehmung, Selbstkonzept, Kooperationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Gruppenfähigkeit

Im Rahmen des Sprachförderunterrichtes findet eine Förderung in den basalen Bereichen und eine umfassende Förderung auf allen Sprachebenen statt:

  • phonematisch-phonologische Bewusstheit (phonetisch-phonologische Ebene)
  • Artikulation (phonetisch-phonologische Ebene)
  • Entwicklung und Förderung eines grundlegenden Sprachverständnisses (syntaktisch-morphologische Ebene)
  • Begriffsbildung (semantisch-lexikalische Ebene)
  • Förderung der verbalen Kommunikation (pragmatisch-kommunikative Ebene)

2.2 Klasse 1-4

Die Unterrichtsinhalte der Sprachheilschule sind grundsätzlich zielgleich nach den Lehrplänen der allgemeinen Schule ausgerichtet. Der Förderbedarf im Bereich Sprache wird durch spezielle Maßnahmen des sprachkonzeptionellen Unterrichtes berücksichtigt. Dazu gehören unter anderem:

  • kleine Lerngruppen (Obergrenze 12 Schüler in den Klassen 1-2)
  • hohes Maß an Anschaulichkeit, Handlungsorientierung und Strukturierung
  • Sitzordnung mit Blickkontakt zur Lehrkraft
  • didaktische Reduktion der Inhalte auf Wesentliches
  • Lehrersprache als Modell und bewusst eingesetztes Medium
    • deutliche Aussprache, gut sichtbares Mundbild
    • Anbieten ausgewählter Satzmuster in allen Unterrichtsbereichen
    • bildgestütztes Sprechen und chorisches Lesen und Sprechen unter Einbeziehung unterstützender Gestik und Rhythmik
    • korrektives Feedback
    • Lautgebärden im Leselehrgang und als unterstützende Artikulationshilfe in der Spontansprache

Auf der Grundlage der individuellen Förderpläne sind Individualisierung und Differenzierung zentrale Prinzipien der Unterrichtsarbeit.

In regelmäßigen Abständen werden die Inhalte, Fortschritte und Ziele der Förderung überprüft und modifiziert.

Jeder Unterrichtsgegenstand wird zur immanenten Sprachförderung genutzt.

Die Auswahl der Unterrichtswerke und -inhalte erfolgt unter der Berücksichtigung der Fördermöglichkeiten auf den vier Sprachebenen:

Phonetisch-phonologische Ebene

  • korrektives Feedback
  • Mundbild im Spiegel betrachten
  • Stütze durch Handzeichen (auch bei Einführung der Laute im Erstlese-Unterricht)
  • Fremdhören, Eigenhören
  • Lautlokalisation, zuerst Silbenhören, dann An-, In- und Endlaute hören

Semantisch-lexikalische Ebene

  • Erarbeitung und Erschließung von Wortfeldern
  • häufige Wiederholung neuer Wörter
  • Klärung unbekannter Wörter in Lesetexten
  • Visualisierung von Arbeitsaufträgen
  • Unterstützung des Sprachverständnisses durch Mimik, Gestik und Symbole
  • häufiges Nachfragen bzw. Stellen von Fragen zu Texten

Syntaktisch-morphologische Ebene

  • Lehrersprache als Vorbild: langsames Reden, kurze Sätze, Sprachmelodie, Betonung, Rhythmisierung
  • Anbieten zahlreicher Sprechanlässe
  • häufiges Vorlesen und Lesen
  • häufige Wiederholung von erarbeiteten Satzstrukturen
  • Erarbeitung metasprachlicher Kenntnisse (Wort- und Satzarten)
  • sprachlich gute Schüler geben Modell
  • sukzessive Erarbeitung von Bildgeschichten
  • Hilfen beim Geschichten-schreiben (Satzanfänge, Wortauswahl, Lückentexte…)

Pragmatisch-kommunikative Ebene

  • Einhaltung von Gesprächsregeln
  • gezielte Planung von Kommunikationsanlässen
  • Steigerung der sozialen Anforderungen der Kommunikationssituation (Klassenrat)
  • Angstabbau, Erhöhung der Bereitschaft zu kommunizieren
  • „Wohlfühlklima“, geachtet sein durch Mitschüler
  • Vermeidung von äußerem Druck

Die Schüler unserer Schule werden außerdem durch musikalische Angebote gefördert. Ab der zweiten Klasse erlernen alle Schüler das Flötenspiel, was einen positiven Einfluss auf Mundmotorik und Luftstromführung hat und sich somit förderlich auf die Artikulation auswirkt. Auftritte bei verschiedenen Ereignissen (Abschlussfeiern, Einschulungsfeiern, Schulfeste) dienen der Förderung von Selbstbewusstsein und Selbstwert. Auch dem Singen kommt dabei eine große Bedeutung zu (Förderung des sozialen Miteinander durch Gruppenerfahrung und gleichzeitige Sprachförderung).

3. Diagnostik, Beratung, Förderung

3.1 Elternarbeit

Neben dem Unterricht und der Arbeit mit den Kindern (s. Punkt 2) ist die Elternarbeit ein weiterer Schwerpunkt im Schulalltag.

Für einen erfolgreichen Besuch der Sprachheilschule ist eine intensive Elternarbeit Voraussetzung. Von Seiten der Lehrkräfte wird ein intensiver Kontakt angestrebt. Die Möglichkeit dazu besteht je nach Bedarf in Telefonaten, in Notizen im Mitteilungsheft oder in persönlichen Gesprächen.

Darüber hinaus finden halbjährliche Gespräche über den Entwicklungsverlauf sowie Zielvereinbarungen im Rahmen der Besprechung der Förderpläne statt.

3.2 Netzwerkbildung

Als Förderschule mit dem Schwerpunkt Sprache sind wir auf eine enge Zusammenarbeit mit anderen vorschulischen, schulischen und außerschulischen Einrichtungen angewiesen (Therapeuten, Kindertagesstätten, Jugendamt, Frühförderstelle, …)

  • Die Zusammenarbeit mit vorschulischen Institutionen ist gewachsener Bestandteil unserer schulischen Arbeit. Im Rahmen des Verfahrens zur Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs sind die SprachheillehrerInnen regelmäßig in den Kindertagesstätten unseres Einzugsgebiets vertreten.
  • Aufgrund der komplexen Beeinträchtigungen, die die Kinder, die in die Sprachheilschule aufgenommen werden, mitbringen, ist die Netzwerkbildung wesentlicher Bestandteil des Arbeitsalltags. – Die Zusammenarbeit mit außerschulischen Institutionen dient der bestmöglichen Förderung unserer SchülerInnen.

Regelmäßige Kontakte finden v.a. zu logopädischen und ergotherapeutischen Praxen statt.

Unser Ziel ist es im Sinne der SchülerInnen einen Austausch zu führen, bestehende Kontakte zu intensivieren und neuen Kontakten gegenüber offen zu sein.

3.3 BFZ-Arbeit

Die Sprachheilschule übernimmt sprachheilspezifische Aufgaben des Beratungs- und Förderzentrums. Diese beinhalten:

  • Durchführung von Sprachstandserhebungen (Schwerpunkt: Diagnostik der Sprachentwicklung, der auditiven Wahrnehmung und Verarbeitung)
  • Sprachförderung in Kleingruppen im Rahmen einer Vorbeugenden Maßnahme (VM)
  • Nachbetreuung bei Rückschulung in die Grundschule
  • Bei Bedarf weitere Begleitung und Förderung in der weiterführenden Schule (VM und IB)
  • Beratung von Lehrkräften
  • Elternarbeit, Elternberatung
  • Sprachstandserhebung und Beratung im Rahmen der Schulanmeldung an der Grundschule
  • Sprachheilschule als Anlauf- bzw. Beratungsstelle für Eltern mit sprachentwicklungsverzögerten Kindern